Wir können uns eine ausgeheilte Welt gar nicht mehr vorstellen - im Fluss der Disruption

28. Nov 2015 • News • zukunftsinstitut • Trendforschung • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft • Branchenübergreifend

Matthias Horx beschreibt, wie Krisen, Katastrophen und Zukunftsbedrohungen mit den Megatrends korrelieren.

 


Ist wirklich alles nur noch Krise?

Beim ersten Betrachten der Megatrend-Map entsteht oft ein irritierender Effekt: Sind die vielen Trendbegriffe, die hier miteinander in Beziehung und Verbindung gesetzt werden, nicht allesamt viel zu positiv formuliert? Sind die heutigen dystopischen Entwicklungen nicht viel stärker als die evolutionären Wandlungsphänomene? 

Der Philosoph Peter Sloterdijk bezeichnete die Politik von Angela Merkel neulich als „Palliativpolitik“. Die Politik der Kanzlerin passe so gut ins 21. Jahrhundert, „weil wir uns eine ausgeheilte Welt oder eine Weltgesellschaft im Zustand der Nicht-Krise gar nicht mehr vorstellen können“. Die Geschichte, so fühlen viele, neigt sich verschiedenen Enden zu: „Noch nie war die Weltgeschichte so prekär!“ Doch diese Gegenwartsbeschreibung ist in Wirklichkeit uralt – so alt wie die Kultur der Menschheit selbst ist auch die Klage über ihre Unheilbarkeit. Der Historiker Andreas Rödder behauptet hingegen in seinem Buch „21.0“: Die Welt war für diejenigen, die in ihr leben, immer schon prekär, gefährlich, unsicher. Vor hundert Jahren fürchtete man sich mit viel mehr Berechtigung vor Krieg und Armut, vor Verlust von Leben und Gesundheit. Auch damals schon gab es kulturell überformte Ängste – vor Schnelligkeit, vor gefährlichem Sittenzerfall oder den verderblichen Reizen von Literatur. Romanlesen zum Beispiel galt vor 150 Jahren als Ursache geistiger Verwirrung – ähnlich wie heute das Internet.