Nachhaltigkeit - Sind wir jetzt alle Greta?

02. Apr 2020 • News • Research & Results • Marktforschung • Fallstudie • Umwelt & Ökologie • Handel & Dienstleistung • Mode & Lifestyle

Greta Thunberg hat weltweit in ihrer Generation eine Welle von Engagement und Protest ausgelöst. Auch in der breiten Bevölkerung finden die Forderungen der Young Generation angeblich immer mehr Gehör. Ob das wirklich so ist, zeigen Jens Cornelsen und Katharina Förtsch anhand aktueller Zahlen für Deutschland.


Die im Herbst 2019 durchgeführte Online-Befragung „Nachhaltigkeit 2019 (Fashion)“ mit 4.100 Interviews ist eindeutig: Aktuell sind bei Weitem noch nicht alle Menschen hierzulande euphorische Nachhaltigkeitsfans. Etwa ein Drittel der Verbraucher lehnt das Thema Nachhaltigkeit rundweg ab: „Nervig“, „Kann eh nix machen“, „Sollen erstmal die Amerikaner und Chinesen …“, „zu teuer“, „Will nicht mit meiner bisherigen Lebensweise brechen“ – so die gängigen Argumente der Nachhaltigkeitsablehner.

Etwa ein Drittel der Verbraucher lehnt das Thema Nachhaltigkeit rundweg ab: „Nervig“, „Kann eh nix machen“, „Sollen erstmal die Amerikaner und Chinesen …“, „zu teuer“, „Will nicht mit meiner bisherigen Lebensweise brechen“ – so die gängigen Argumente der Nachhaltigkeitsablehner.

Dennoch wächst eine Gruppe heran, die sich in ihrem Konsum immer konsequenter und tatsächlich nachhaltig verhält. Plastik vermeidet. Ökostrom bezieht. Mobilität nachhaltig plant. Bisherige Lebensweisen konstruktivkritisch infrage stellt. Im Gegensatz zu den „Ablehnern“ ist diese Gruppe aktuell zwar noch relativ klein (14 Prozent), aber sie wächst stetig. Dem Allgemeinwohl verpflichtet kennen die „Überzeugungstäter“ kein Wenn und Aber, überlassen als Vorreiter bewussten Konsums nichts dem Zufall. Und rekrutieren sich stetig aus der dritten Gruppe: den „Unentschlossenen“ (55 Prozent). Mehr als die Hälfte der Konsumenten sind beim Thema Nachhaltigkeit also mehr oder weniger auf dem Sprung.

Nur echtes Engagement wird belohnt

Wie ist es – gruppenübergreifend – um das Image der Produkt- und Unternehmensmarken in puncto Nachhaltigkeit bestellt? Das Facit Nachhaltigkeitsranking 2019 (Fashion) zeigt eindeutig, die Verbraucher erkennen und belohnen echtes Nachhaltigkeitsengagement. Nicht ganz überraschend gewinnen die Marken Hess Natur, Freitag und Patagonia (Abb. 2).
Methodisch gesehen fließen in die Markenbewertung die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ein, die dann zu einem Gesamt-Score (SIS-Sustainability Image Score) verdichtet werden:

  • Ökologische Nachhaltigkeit (Geht das Unternehmen/die Marke verantwortungsvoll mit den begrenzten Ressourcen um?)
  • Ökonomische Nachhaltigkeit (Wirtschaftet das Unternehmen/die Marke fair und langfristig?)
  • Soziale Nachhaltigkeit (Kommt das Unternehmen/die Marke seiner gesellschaftlichen Verantwortung nach?)
  • Glaubwürdige Nachhaltigkeit im Ranking

Das Facit Nachhaltigkeitsranking 2019 (Fashion) zeigt eindeutig, die Verbraucher erkennen und belohnen echtes Nachhaltigkeitsengagement.

Grüne Produkte treffen den Nerv

Grundsätzlich wird Grün mehr und mehr zur Lieblingsfarbe der Deutschen, „grüne“ Formate haben Hochkonjunktur – immer stärker auch medial. Das trifft den Nerv vieler Verbraucher: Mehr als jeder Zweite will auf Plastik verzichten, sei es über die Vermeidung von Verpackungsmüll (53 Prozent) oder den Verzicht auf Mikroplastik (49 Prozent) als Inhaltsstoff. Verbraucher treffen bewusste Entscheidungen gegen Einwegtüten und -produkte. Unternehmen stehen damit unter Konsumentendruck – und reagieren prompt: Die Prototyp-Papierverpackung von Ritter Sport oder nachhaltige Umverpackungen von Frosta sind die entsprechenden Antworten.

Bloß kein Greenwashing!

Aber wer als Markenverantwortlicher jetzt denkt, er könne von heute auf morgen seine Marke ein bisschen „grün anstreichen“, täuscht sich. Konsumenten sind enorm skeptisch, was das angeht. 47 Prozent der Deutschen meiden Produkte, die bloß augenscheinlich nachhaltig sind. Greenwashing ist also keine gute Strategie! Was zweifellos eine Gratwanderung zwischen „nachhaltig sein“ und „nachhaltiger Schein“ mit sich bringt. Ganz verweigern geht ohnehin nicht (mehr).
Also ist wahrscheinlich die Politik der kleinen Schritte hier die einzige Option. Und da bietet eben auch eine klare Kommunikation den nötigen Spielraum. Für ausgewiesene Nachhaltigkeitsplayer, aber eben auch für Marken, die sich auf dem Sprung befinden. Die Top-5-Marken machen es vor: Tue Gutes und rede darüber.

Unglaubwürdige Marketing-Maßnahmen werden dagegen entlarvt. So hübscht das „Freikaufen“ von umfassender Nachhaltigkeit mittels partieller, separater Fair- oder Bio-Produktlinien das Image zwar auf, es ist am Ende aber auch nicht wirklich zielführend im Sinne des Nachhaltigkeitsrankings. Zumindest in den Augen der Verbraucher. Beispiel H&M (Platz 34): Die Marke wird in sämtlichen Facetten der Nachhaltigkeitskommunikation ziemlich abgestraft: unglaubwürdig, intransparent, missverständlich und inkonsistent. Trotz eigener grüner Mode-Linie „Conscious“. Ganz ähnlicher Effekt bei Adidas: Eine separate Parley-Schuhlinie (Obermaterial, dessen Fasern aus Ozeanplastikmüll hergestellt wurden) macht eben noch keinen Sommer: nur Platz 21 im Ranking.

Auf einem guten Weg

Stück für Stück werden die Deutschen „grüner“. Und Nachhaltigkeit pflanzt sich mehr und mehr in die zentrale DNA der Gesellschaft ein. Wird gesellschaftsfähig. Das heißt bei Weitem nicht, dass alle hierzulande nachhaltig sind. Weder im Denken noch im Handeln. Aber: Ein Großteil ist auf dem Sprung. Sind wir deshalb jetzt schon alle „Greta“? Klare Antwort: Jein! ■

Zugrunde liegende Studien:

Im Herbst 2019 wurde von Facit Research die Online-Befragung „Nachhaltigkeit 2019 (Fashion)“ in Deutschland mit 4.100 Interviews durchgeführt. Davor gab es bereits die Schwerpunkte Süßwaren, Kosmetik, Bekleidung, Tourismus und Essen & Trinken, im März folgt Retail. Die Erhebung schließt unmittelbar an die Studie „Sustainability Image Score (SIS)“ an, die Facit Research in den Jahren 2011 bis 2017 in Kooperation mit der Serviceplan Reputation, Berlin, realisiert hat.