Schöne, neue Welt: Starke Handelsmarke, attraktive Lizenzmarken!

Früher hatten es Marken leichter: Weniger verfügbare Kanäle für eine Verbraucheransprache, klare Marketing-Umsetzungen - „von oben“ von der Marke herab, top-down an den Kunden. Die Marke konnte ihre Orientierungsfunktion leicht ausspielen. Inzwischen haben sich viele Eckpunkte unseres Verbraucheralltags drastisch gewandelt. Günther Nessel und Dr. Uwe Lebok in Marke 14 über Trends in der Markenwelt.

Anbieter: K&A BrandResearch
Veröffentlicht: Mär 2017
Autor: Günther Nessel, Dr. Uwe Lebok
Preis: kostenlos
Studientyp: Blog & Paper • Marktanalyse
Branchen: Handel & Dienstleistung • Marketing & Medien
Tags: Eigenmarken • Einzelhandel • Handelsmarken • Linzenzmarken • Marken • Markenpositionierung • Markenstrategie • Markenwahrnehmung

Als „Smombies“ ist für uns der Smartphone-Einsatz und die digitale Erreichbarkeit nicht mehr wegzudenken, als Verbraucher wurden wir kritischer, was Marken und Werbung anbelangt und der Handel wird über Marketingmaßnahmen immer einfallsreicher in seinen Strategien, Kunden an sich zu binden – vor allem auch über den Ausbau seiner Eigenmarken.

Der Mythos Marke wankt: Der Handel erlangt immer mehr Vertrauen bei den Verbrauchern. Das nicht nur über zunehmend bessere Filial- und Marketing-Konzeptionen, sondern auch über intelligent verzahnte Retailbrand- und Eigenmarken-Konzepte als direkte Konkurrenten gegenüber klassischen Markenartikel. Vor allem Mehrwert-Handelsmarken attackieren das Weltbild der Markenartikler mit zunehmendem Zuspruch beim Verbraucher als „bessere“ Alternative. Selbstverständlich nutzt der Handel seinen wettbewerbsverzerrender Vorteil: Er kann vollends auf seine Filialen zurückgreifen, um sich und seine (eigenen) Marken, abverkaufswirksam zu inszenieren.

Märkte verändern sich …

Ständig ist der Handel im Wandel. Dem ursprünglichen Jahrmarkt folgten im 19. Jhdt. der Ausbau des modernen Lebensmitteleinzelhandels (LEH). Genossenschaftliche Strukturen waren prägend, um dem Verbraucher bestmögliche Grundversorgung, in großer Auswahl und zu weitgehend stabilen Preisen in seiner Heimatregion zu liefern: Gutes für den Verbraucher tun mit karitativem oder sozialdemokratischen Hintergrund. Bei EDEKA und REWE hat der Genossenschaftsgedanke für etwa die Hälfte der Filialen bis in die heutige Zeit überdauern können.

Nach dem Wirtschaftswunder entsprach es in Deutschland dem Zeitgeist, die neue Kaufkraft über Markenprodukte zu zelebrieren: Marken „markierten“ Konsum-Werte. Diese Zeit hielt an, bis Ölkrise und konjunkturelle Einbrüche die Phase der Vollbeschäftigung ablösten. Bereits seit den 1970er Jahren etablierten sich die „Albrecht-Brüder“ mit ihrem Discount-Konzept als die deutlich günstigere Einkaufsalternative zum markenorientierten Einzelhandel. Der klassischen LEH reagierte und launchte die ersten „weißen“ (Billig-) Marken Ende der 1970er Jahre. Aber erst mit der Wiedervereinigung sollte das rasante Wachstum im Handelsmarkensegment auf Kosten der Markenartikel in bisher nie dagewesenem Ausmaß erfolgen.

Die Weichenstellung für eine gezielte Verbraucheransprache des Handels war das Jahr 2005: Mit „Wir lieben Lebensmittel“ wurde von  EDEKA die Phase eingeläutet, Markenpolitik als Chefsache des Handels zu verstehen. Das Leistungsversprechen wurde dabei nicht nur dem Verbraucher konsequent kommuniziert, sondern auch im Laden erlebbar gemacht. Alle anderen Händler sollten es in der Folgezeit dem Vorstoß der EDEKANER nachtun. Seit 2015 zeigt LIDL dem Verbraucher mit massivem Werbemittel-Einsatz, warum sich LIDL lohnt: Gute hochwertige Produkte und gute Eigenmarken, die auch durchgehend mit Markenartiklern mithalten können.

Überhaupt hatten in den letzten 10 Jahren Handelsmarken zielgruppenübergreifend das größte Marktwachstum. Für die meisten Food-Kategorien ist der mengen- und wertmäßige Anteil der Handelsmarken bereits größer als derjenige herkömmlicher Marken (vgl. Abb. 1). Es fällt ohnehin immer schwerer, die Bezeichnungen Eigenmarke vs. Marke aufrecht zu erhalten. Die Grenzen sind fließend und für Konsumenten mit bloßem Auge oftmals nur noch schwer erkennbar. Je mehr der Handel selbst auch noch „Hand anlegt“, indem er seine Marken nicht nur von Markenartiklern oder Produzenten herstellen lässt, sondern wie bei LIDL im Segment Schokolade oder Backwaren selbst produziert, ist die Unterteilung zwischen Marke und Eigenmarke mehr und mehr hinfällig.


Abb. 1: Handels-/Eigenmarkenanteil im FMCG-Segment (GfK)

Für Markenartikler wird es damit schwieriger, sich gegen die aufkommende Marktmacht der eigenen Marken des Handels zu stemmen. Von den einstigen vier P’s (product, place, promotion, price) bleiben in vielen Kategorien nur noch Promotion und Produkt als zentraler Steuerungshebel des Marketings. Pricing diktiert der Handel mehr oder weniger kollegial und was die Platzierung am POS anbelangt, haben nur wenige Markenartikler die Option eigener Gestaltungsmöglichkeiten. Aber auch kommunikativ agieren viele Markenartikler in alter Tradition der Verbraucheransprache: Zuviel wird von der Marke aus und „von oben“ herab kommuniziert, zu selten wird aus dem Verbraucher heraus argumentiert und der Dialog mit ihm gesucht. Aus starken „Markenwurzeln“ entwickelten sich häufig archaische „Bleifüße“, die es heute Markenartiklern erschweren, neue Wege in der Markenansprache auf Augenhöhe mit dem Verbraucher zu finden.

Da hat es der Handel leichter. Er braucht bei seinen Eigenmarken auf zurückliegende Markentraditionen und Selbstähnlichkeiten kaum Rücksicht zu nehmen, weil es diese bis vor Kurzem nicht gab: Er insziniert seine Retailbrands neu und wie er es für richtig hält. Und er hat mit seiner Filialhoheit ausreichend Möglichkeiten, seine Marken für Verbraucher erlebnisreich zu gestalten. Der Marktanteil von preisaggressiven Handelsmarken stieg bis 2010 unaufhörlich; seit jener Zeit performen aber die Mehrwert-Eigenmarken. Laut Statista-Analysen stellen heute mehr als 85% aller Konsumenten die gleichen Qualitätsanforderungen an Handelsmarken wie an Markenartikel und für rund 75% aller Verbraucher hält das Aussehen von Eigenmarken mit denjenigen von Markenartiklern mit. Laut LZ-Umfragen schwindet zudem das unabdingbare Vertrauen der Verbraucher in Markenartikel Jahr für Jahr: Mehr als 60% aller Konsumenten erwarten kaum noch Unterschiede zwischen Produkten einer Marke oder Eigenmarke des Handels.

Erschwerend für die Markenklarheit kommt hinzu, dass viele Markenartikler den Großteil ihrer Abverkäufe über Preispromotionen oder Rabattaktionen verdingen. Eine starke Marke wäre gegenüber Preisaktionen weitgehend erhaben – so die Markentheorie. Tatsächlich liegen die Preispromotions­anteile vieler Marken weit über 50%. Bei den namhaften deutschen Premium-Biermarken sogar über 66%: Weniger Preispremium als Promotion-Premium! Für den Verbraucher nicht schlecht, denn er „ist ja nicht blöd“, er wurde zum „günstigen Marken einkaufen“ vom Handel erzogen. Am Ende verliert aber über Preispromotions der Markenartikel, wie eine von der GEM an der Universität Hamburg beauftragten Studie beweist. Dabei ist für die Markenerosion beim Verbraucher weniger die Höhe des Rabatts entscheidend als vielmehr die Häufigkeit der Preisaktionen. Ein Teufelskreis: Ohne Promotion „drückt“ der Handel, zu viel Promotion vernichtet aber Werte der Marken!

Was nun? Marke oder Eigenmarke?

Marken wie Landliebe, Rügenwalder Mühle, Milka, Dallmayr, Nimm 2, Beck’s u.v.a. konnten sich in Zeiten mit überschaubarer Medienauswahl (z.B. nur 3 TV-Programme) ikonographisch und langfristig etablieren. Im Zeitalter der Digitalisierung, Wenig-Zeit-haben und Schnelllebigkeit von Moden und Trends hat sich die Markenansprache deutlich verändert: Nur schöne „emotionale“ Bilder zu zeigen hilft ebenso wenig weiter wie Markenkommunikation ohne haltbare Leistungsversprechen. Gerade neue Verbrauchergenerationen sind immer seltener allein über „klassische“ Werbung zu überzeugen und Google & Co. erlauben schnelles Gegenchecken sowie über Hashtags spontanes Reagieren auf gefühlte Unwahrheiten.

Das gilt umso mehr, wenn Unterschiede zwischen Marken vom Konsumenten nicht mehr erkennbar sind. Im Joghurtsegment ist für den Verbraucher schwer zu unterscheiden, was einen Ehrmann, Bauer oder Zott wirklich besser macht. Kein Wunder also, dass der Eigenmarkenanteil hier besonders hoch ist. Aber nicht nur hier. Was macht Marken-Klopapier besser als das bei ALDI oder von Ja!? Welcher Frischkäse schmeckt authentischer – der von Philadelphia, Buko, Exquisa oder Alpenmark? Oder bei Nudeln, Butter, Salami, Schinken, Olivenöl, Kekse? Immer häufiger verdienen ehemals gute Marken das Attribut „Burnout-Brand“ – dabei handelt es sich also um Marken, deren Faszination beim Verbraucher aufgebraucht ist. Dabei handelt es sich oftmals weniger um den realen Burnout der Marken beim Verbraucher als um mangelndes, kreatives Engagement um die Gunst der Konsumenten.


Abb. 2: Marke oder Eigenmarke?

Ganz anders der Handel. Im Zuge seiner „Vertrauen schaffenden“ Kommunikationsmaßnahmen werden auch die Auftritte der Eigenmarken optimiert: Die Verpackung von Almighurt ist heute schon nicht mehr zwingend schöner als die besten Joghurt-Verpackungen von Eigenmarken. Obwohl Verpackung entscheidend ist für Wiedererkennbarkeit und Markenbasis, verschwimmen sie immer mehr in Gesichtslosigkeit und Standard. Je mehr aber in einer wahrgenommenen Gleichschaltung und Vergleichbarkeit der Produkt- und Packungsauftritte der Handel seinen Marken mehr Eigenleben eingesteht, werden solche Eigenmarken zur bewussten Alternative gegenüber Marken. Dann kauft der Verbraucher nicht nur die (billigere), aber qualitativ guten Produkte des Händlers, sondern die Marke des Händlers seines Vertrauens: Milbona, Desira, Cucina, Rio d‘oro, Alpenmark, Unsere Heimat, usw.

Aber das nicht nur im Preiseinstiegs- oder Konsumsegment, sondern seit längerem auch schon im Premium-Bereich: Schokoladenspezialitäten von REWE Feiner Welt oder Moser Roth sind in der Wahrnehmung hochwertig und ein Wertigkeitsunterschied gegenüber Lindt lässt sich über den Packungsauftritt allein nicht mehr erklären. Hier lassen sich bereits erste Tendenzen erkennen, wohin die Reise der eigenen Markenführung des Handels hingehen kann: Eigenmarken als „echte“ Marke, die mehr Werte für den Konsumenten signalisieren, als manch eine althergebrachte Marke der Markenhersteller. Immer schneller werden in Zukunft Eigenmarken des Handels vom „hässlichen“ Entlein der 90er Jahre (billigster Packungsauftritt, primitiv-plakative Konsumentenansprache) zum „pragmatischen“ Schwan mutieren. Der Handel ist im Wandel – und stets auf Augenhöhe zum Verbraucher und seinem Zeitgeist.

Lizenzmarken: Chance für Wachstum

Es wird folglich eng für austauschbare Marken ohne Profil und Relevanz. Was für Möglichkeiten haben Konsummarken, bei stetig abnehmender Loyalität und unklarer Profilierung ihres eigenen Mehrwerts? Im Prinzip gibt es quasi nur drei strategische Lösungen:

  1. Märkte und Marken aus Sicht und auf die Bedürfnisse der Konsumenten ausrichten.
  2. Weiterhin profillose Konsummarke bleiben – ohne Schnörkel, ohne Mehrwert, ohne Investment.
  3. Allianzen mit anderen eingehen, z.B. über Lizenzen.

Jeder verantwortungsvolle Marketier wird zunächst versuchen, die Marke zu stärken. Meistens helfen beim Verständnis weniger Zahlen, Daten und Fakten, sondern vielmehr ein psychologisches Verständnis darüber, wie sich Verbraucher ihren Alltag strukturieren und welche Rolle Kategorie und Marken im Alltag spielen. Es geht dabei weniger um die Marke selbst, als vielmehr um den Verbraucher, der in den Mittelpunkt gestellt wird. Die Marke wird auf Basis psychologischer (und quantifizierbarer) Insights nach dem Verbraucherverhalten ausgerichtet. Zuhören können ist Pflicht, genauso Quer- und Andersdenken. Ein solches Vorgehen bedeutet Mühe, Umdenken und Investitionen in eine lebendige Marke-Mensch-Interaktion.

Leichter ist der zweite Weg. Weitermachen wie bisher kostet erst einmal weniger, ein weiterer Verlust der Marktanteile wird ins Kalkül gezogen. Entweder eine Strategie des „Abmelkens“ oder die Option „gut & günstig“ für einen/mehrere Händler zu produzieren. Die dritte Option liefert einen pragmatischen Mittelweg: Eine Marke mit Schwächen in der Verbraucherprofilierung sucht sich einen Lizenzgeber, um über diese Allianz relativ schnell die Herzen der Verbraucher zu berühren und an Aktualität zu gewinnen.

Lizenzmarken finden sich in den unterschiedlichsten Kategorien des Lebensmitteleinzelhandels, bei Spielwaren oder in der Bekleidungsbranche. Die einfachste Form eines Lizenzgeschäftes ist die Nutzung bekannter Charaktere aus den Medien: No-Name-Muffins mit SpongBob „schmecken“ gefühlt „besser“, vermitteln mehr Spaß als ohne diese Charakter. Dasselbe gilt für viele andere Produkte. Ein sektähnlicher, alkoholfreier fruchtig-prickelnder Partyspaß für Mädelsabende und Kindergeburtstage findet unter der Herstellermarke ZGM wenig Relevanz und Attraktivität. Als „Hello Kitty“ Berry Mix aber umso mehr – und (weibliche) Kids und Teens fahren auf dieses Lizenzmarkenkonzept anlassbezogen ab!


Abb. 3: Hello Kitty und Looney Tunes – Erfolgreiche Lizenzmarkenkonzepte für Eigen- und No-Name-Marken

Auch andere TV-Helden oder Cartoon-Charaktere lassen sich immer wieder einmal schnell auf Produkte oder Marken packen, um Aktualität zu erzeugen. Die brachialste Form ist das Ausrollen eines anstehenden „Blockbusters“ oder Events auf möglichst viele unterschiedliche Produkte im Handel (z.B. Star Wars, Fußball-Europameisterschaft, Batman, u.a. auf Tassen, T-Shirts, Lebensmittel). Schneller Abverkauf über Lizenz, wenig Nachhaltigkeit für die Produkte oder Marken. Nachhaltige Allianzen gehen stets von der Überlegung aus, ob der Lizenzgeber passend zur lizenznehmenden Marke ist. Ob ein Fit zwischen Lizenzcharakter und Marke besteht, ob ein Charakter der Marke in ihrer Persönlichkeit neue (bisher fehlende) Facetten hinzuaddiert. Bei Cerealien wollen (junge) Menschen auch Spaß haben – Spaß, den auch die Looney Tunes mit ihrem Zeichentrick-Charakter vermitteln. Knusperone (von ALDI Süd) erlebt dadurch als Eigenmarke nicht nur eine Aktualisierung, sondern auch eine Emotionalisierung: Ein emotional wenig ambitioniertes Handelsmarkenkonzept wie Knusperone erlebt nun aber einen emotionalen Boost, der letztlich attraktiver ist als der Frostie-Tiger bei Kellogg’s. Tweety bekannter und erlebbarer als Frostie, Knusperone attraktiver als Kellogg’s. So einfach verschiebt sich Wahrnehmung.

Neben der klassischen Herangehensweise bei der Nutzung von Lizenzen gibt es aber für weniger profilierte Marken die Chance, über Nutzung von  Lizenzgebern in anderen Segmenten vorzustoßen. Der Lizenzgeber eröffnet sich über die Lizenzvergabe in anderen Kategorien eine Steigerung seiner Bekanntheit durch Diversifikation und ermöglicht den Lizenznehmern Wachstum in seinem Segment. Auch hier ist die Passung von Lizenzgeber und Lizenznehmer unabdingbar, um nachhaltig Marktausweitung und Image-Pflege betreiben zu können.

Im Rahmen einer gemeinsamen repräsentativen Studie von K&A und Food Licence Partner/taste! über die Verbraucherwahrnehmung von Lizenzmarken wurden Treiberdimensionen für Win-Win-Situationen von Lizenzgebern und –nehmern im Foodbereich analysiert. Zwar hat der Konsument wenig abrufbares Wissen über die Bedeutung, Hintergründe und Definitionen von Lizenzmarken-Konstellationen, aber umso mehr ein intuitives Gespür darüber, was für ihn attraktive und relevante Optionen für einen BrandStretch darstellen. Je konkreter dabei die Abfrage hinsichtlich Themenwelt und Visualisierung ist, desto eindeutiger fallen die Zuordnungen unter Berücksichtigung bestehender Wahrnehmungsschemata aus.

Ist beispielsweise das Setting einer Marke für den Verbraucher eindeutig zuordenbar, dann kann er auch schnell weitere denkbare Produkte der Marke zuordnen. Tabasco ist für den Verbraucher vor allem „scharf“, das kleine Tabasco-Fläschchen zwar gelernt, aber nicht zwingend nur auf das Fläschchen begrenzt: Scharfe Tropfen auf Alles! Auch Valensina muss sich für den Verbraucher nicht ausschließlich auf Säfte beschränken, da die Marke mit der Kernkompetenz „Sonne“ bzw. „Orangen/Fruchtigkeit“ aufgeladen ist. Und auch Weber als Leitmarke für Premium-Grills ist für den Verbraucher als Lizenzgeber für Premium-Steaks, Grillsaucen und mehr bereits heute erfolgreich im Markt – und der wächst.

Nicht jede Marke lässt sich aber endlos auf viele, neue Kategorien dehnen. Die Verbraucher wissen zwar wenig über Markenhintergründe, haben aber ein gutes Bauchgefühl, was aus ihrer Sicht zusammenpasst oder für sie als Angebot relevant und attraktiv ist. Dabei folgen sie intuitiv bei ihrer Bewertung Wahrnehmungsschemata und inneren Bildern einer Marke.

So assoziieren Kenner der Wurstmarke „Bärchen“ sofort Bärchen-Streich als mild schmeckendes Produkt mit dem Bärchengesicht. Über diese Markensignale wird Bärchen automatisch als Kinderprodukt im harmonischen Familiensetting interpretiert. Kindheit und Familie sind klare Positionierungsanker, limitieren aber die Dehnbarkeit der Marke. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der Anlasswahrnehmung (Frühstück, Pausenbrot, Brotzeit) zwar neben milden Wurstprodukten auch Käseprodukte unter Bärchen relevant wären, warme Mahlzeiten (Fischstäbchen, heiße Snacks, u.a.) aber nicht. Auch bei KFC identifiziert der Verbraucher zwar ausnahmslos Chicken-Kompetenz, die auch in der Tiefkühltruhe und gekühlter Frische weiter ausbaubar wäre.

Lizenzmarke Bärchen – Keine warmen Mahlzeiten, eher kindlich und für unterwegs!
Abb. 4: Bärchen als Lizenzgeber (Lizenzmarkenstudie 2015)

Was am Ende bleibt?

Die Zukunft einer Marke liegt im Mehrwert. Ansonsten kaufen Verbraucher Produkte vom Händler des Vertrauens ganz gleich ob Marke, Eigenmarke oder Marke im Sonderangebot. Die Marken­loyalität ist ohnehin immer schwerer zu halten. Besonders bei den neuen Verbrauchergenerationen mit ihrem pragmatischen Konsumverhalten. Nichts zu tun oder den Kopf in den Sand zu stecken, wäre aber „todsicher“ die falsche Strategie für eine Revitalisierung von Marken. Vielmehr hilft bei einer Belebung eine Lebendigkeit in der Marke-Mensch-Interaktion: Die Marke sucht den Kontakt zum Verbraucher, versteht ihn in seiner Alltagsgestaltung und tritt mit ihm in Dialog. Gerade die Vielzahl an Kontaktmöglichkeiten erlaubt es heute Markenartiklern vglw. schnell, zielführend und nicht einmal kostenintensiv mit seinen Zielkunden über Touchpoints zu interessieren, zu motivieren, sie in Staunen zu versetzen.

Die kanalspezifische Kundenpflege betrifft dabei Marken wie Eigenmarken. Mehrwerteigenmarken des Handels haben es prinzipiell einfacher, da sie die Fläche des Handels und seine „Hauszeitung“ (Werbeprospekte, Handzettel) kostenfrei nutzen. Lidl geht bereits die ersten Schritte, indem er seinen Marken mehr Raum zur Entfaltung (und Kommunikation) einräumt. Andere Händler werden folgen. Umso wichtiger wird es für Markenartikler sein, die originäre Aufgabe einer Marke wieder selbst in die Hand zu nehmen. Als Marke Ankerpunkte zu setzen, Mehrwert zu liefern, Märkte zu gestalten.

Die vermeintliche Kleinheit einer mittelständischen Marke ist dabei nicht das Hindernis. „Kleiner“ zu sein wird heute vielmehr mit Differenzierung dekodiert: Familiarität, Regionalität, Handwerklichkeit, Authentizität, Werte. Vorteile für kleinere Marken, die aber auch erlebbar sein müssen. Und die Vielfalt an Touchpoints eröffnet neue, „andere“ Wege zum Konsumenten, sofern die Marke ihre Geschichte gefunden hat und sie zu erzählen weiß.

Selbst für eher unscheinbare, stille Marken, bieten sich aber über die multimediale Ausrichtung der Verbraucher Möglichkeiten eines emotionalen Zugangs. Denn Lizenzen können ggf. die emotionale Komponenten hinzuaddieren, die der Marke bislang fehlte. Im Idealfall für Lizenzgeber und Lizenznehmer ergibt sich eine Win-Win-Situation: Der Lizenzgeber erhöht seine Bekanntheit über neue Produktgruppen, der Lizenznehmer fügt seiner Markengestalt Emotionalität oder Kompetenzen des Lizenzgebers hinzu. Neue Geschichten, neue Markenwelten, neue Erlebbarkeit! Nur dann finden Marken überhaupt noch den Weg in das Mind Set der Konsumenten. Ein Weg der sich lohnt, will Marke in der schönen, neuen Alltagswelt der neuen Konsumenten noch Bedeutung finden.