Einstellungen zur Naturmedizin und alternativen Heilmethoden in Deutschland 2014

Naturmedizin wird in Deutschland immer beliebter. Die Zeiten, in denen Patienten ihre Gesundheit allein den „Halbgöttern in Weiß“ anvertrauten, scheinen endgültig vorbei zu sein. Heute fordern Patienten von ihren Ärzten und Apothekern aktiv Wissen zur Naturmedizin ein. In der Studie wurden vor allem die bewussten und unbewussten Sinnzusammenhänge erforscht, die die Themenbereiche der Selbstmedikation, des Gangs zum Arzt und den Umgang mit der eigenen Krankheit begleiten.

Anbieter: rheingold institut
Veröffentlicht: Mai 2014
Preis: kostenlos
Studientyp: Marktforschung
Branchen: Gesundheit • Umwelt & Ökologie • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft
Tags: Alternative Medizin • Apotheken • Aäzte • Heilmittel • Homöopathie • Medikamente • Naturheilkunde • Naturmedizin • Patienten • Schulmedizin

Der Trend hin zur Naturmedizin hat auch kulturelle Hintergründe - Patienten erwarten Fachwissen zu alternativen Heilmethoden auch von Apothekern und Schulmedizinern

Naturmedizin wird in Deutschland immer beliebter. Die Zeiten, in denen Patienten ihre Gesundheit allein den „Halbgöttern in Weiß“ anvertrauten, scheinen endgültig vorbei zu sein. Heute fordern Patienten von ihren Ärzten und Apothekern aktiv Wissen zur Naturmedizin ein, sie recherchieren selbstständig im Internet und setzen die Fachleute dadurch permanent unter Druck. Für immer mehr Menschen liegen Schul- und Naturmedizin auf Augenhöhe und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Dies sind einige der Kernergebnisse einer neuen, umfassenden tiefenpsychologischen Studie die das rheingold Institut in Köln auf Initiative von Pascoe jetzt durchgeführt hat.

Zuwendung und Verständnis

In der Studie wurden vor allem die bewussten und unbewussten Sinnzusammenhänge erforscht, die die Themenbereiche der Selbstmedikation, des Gangs zum Arzt und den Umgang mit der eigenen Krankheit begleiten. Ziel war es, zu verstehen, was die Patienten für Naturmedizin begeistert und wie sich der seit Jahren anhaltende Trend hin zu Homöopathie und Naturheilkunde erklären lässt. Und dabei stellte sich ganz klar heraus: Mit dem Trend zu Naturmedizin verbinden viele Menschen Sehnsüchte, die durch die Schulmedizin nicht eingelöst werden: individuelle Zuwendung und ganzheitliche Betrachtung, Verständnis und ausgedehnte Kommunikation.

Die Naturmedizin bietet nach Ansicht der Probanden ein komplett anderes Weltbild, sie ist frei von Industrie und Chemie - und oftmals auch frei von schnellen Lösungen. Es wird Zeit und Verständnis für die Anliegen der Patienten aufgebracht - eine Anamnese dauert nicht selten 90 Minuten. Für viele Patienten besonders wichtig: Es gibt einen ganzheitlichen Blick, der über die reinen Symptome hinausgeht und auch die Lebensumstände und die Psyche der Patienten mit berücksichtigt.

Neuer Rhythmus im Leben

Mit der Naturmedizin bekommt das Leben nach Auffassung der Befragten einen anderen Rhythmus. Der Patient entdeckt die Langsamkeit und Ruhe für sich. „Die Naturmedizin ist gut für den Körper“ und eine Art Wiedergutmachung für ihn, „nachdem ihm zuvor so viel Chemie zugemutet wurde.“

Der Besuch beim Naturmediziner oder Homöopathen steht damit im krassen Gegensatz zum Besuch beim „Schulmediziner“. Die Befragten sind sich einig: Schulmedizin sucht die schnelle Lösung. Dies heißt auch: Die beim Arzt verbrachte Zeit ist kurz, das Gespräch mit dem Mediziner meist auf die Erkrankung und konkrete Behandlungsformen begrenzt. Die Schulmedizin passt damit in unsere hektische Zeit, in der es darum geht, immer zu funktionieren und Familie, Job und Freizeit stets „unter einen Hut“ zu bekommen. Das Gefühl, sich in Beruf und Privatleben im Hamsterrad zu befinden, setzt sich beim Schulmediziner-Besuch quasi nahtlos fort.

Eine aktive statt einer passiven Rolle

Die Behandlung beim Naturheilkundler wird dagegen wie eine Auszeit aus der Rastlosigkeit des Alltags erlebt, schon mit dem Betreten des Behandlungszimmers bleibt für viele Befragte die Zeit stehen. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch verstehen, wieso viele Patienten, die sich einem Naturheilverfahren anvertrauen, überdurchschnittlich aktiv an ihrer eigenen Gesundung mitwirken. Zum Beispiel, indem sie ihre Ernährung umstellen, mit sportlichen Betätigungen beginnen oder auf Alkohol und Zigaretten verzichten. Sie übernehmen hier einen aktiven Part, während sie, so die Probanden, beim Schulmediziner eher in die passive Rolle schlüpfen und hilflos der „Kompetenz in Weiß“ gegenüberstehen. So suchen viele Erkrankte nach eigener Aussage bei ihrem Arzt vergeblich, was sie am meisten brauchen: Zuwendung, Zeit, Verständnis und Trost.

Die zunehmende Wertschätzung, die die Naturmedizin genießt, resultiert auch aus dem Wunsch nach Halt und Anbindung in einer immer hektischer agierenden Welt. Die Kehrseiten der Technisierung und des Fortschritts, darunter die zunehmende Standardisierung, werden den Menschen schmerzlich bewusst. Sie suchen nach neuen ‚Glaubenssystemen‘ jenseits des wissenschaftlich-technischen Komplexes, sie suchen nach dem Ursprünglichen. Um einen harmonischen Übergang zu gewährleisten und auf den medizinischen Fortschritt nicht ganz zu verzichten, wünschen sich die Patienten, dass sich Schulmedizin und Naturmedizin in Zukunft stärker ergänzen. Die Naturmedizin soll, so die Patienten, auch bei den Medizinern und Apothekern etabliert werden und ihren Platz erhalten. Die Stärke dieses Wunsches wird auch im finanziellen Bereich deutlich: Viele Patienten sind bereit, für eine Naturmedizinbehandlung eine Zusatzversicherung abzuschließen oder sich über direkte Eigenleistungen an den Zusatzkosten zu beteiligen.

Jetzt helfe ich mir selbst!

Immer mehr Patienten informieren sich selbst über Fachliteratur, Chats, Blogs, das Internet – und übernehmen somit die Heilung auf eigene Faust. Sie greifen wortwörtlich zur Selbstbehandlung. Allerdings heißt das nicht, dass der Patient ganz auf professionelle medizinische Hilfe verzichten möchte. Im Gegenteil: Er sucht Unterstützung und lässt sich beraten und alternativ behandeln.

Die Motivation und das Ziel der Behandlungen sind sehr unterschiedlich. Selbstbehandlung ist eng mit Selbstbestimmung und Selbstfindung verbunden. Die Naturmedizin nimmt den Patienten in dieser Hinsicht in die Pflicht. Genau dies erwarten die Patienten auch. Sie wollen möglichst viel Einfluss auf ihren Heilungsprozess haben und die Behandlung mit allen Sinnen zu spüren bekommen.

Die Sicht auf die Apotheker

Die Probanden sind sich sicher: Viele Apotheker scheinen sich gegen die Naturmedizin zu sträuben. Sie kennen sich in diesem Bereich nicht so gut aus und sind oftmals überfordert. Ihre berufliche Herkunft liegt in ihrem klassischen Schulmedizin- und Chemiestudium, in dem die Naturmedizin bislang keinen Platz hat. Der Ruf der Apotheker ist nicht unbelastet: Sie gelten als abhängig und hörig gegenüber der Pharmaindustrie und nicht frei in der Auswahl der von ihnen empfohlenen Medikamente.

Apotheker, die sich trotz all dieser Rahmenbedingungen in Naturmedizin auskennen, gelten unter Patienten als Geheimtipp. Bei Insidern werden sie quasi „unter der Hand“ gehandelt. Bei den betreffenden Apothekern ist das Interesse an Naturmedizin eher einem persönlichen Engagement und Interesse zuzuschreiben. Sie bilden damit eine Ausnahme.

In der Studie brachten die Probanden ganz deutlich zum Ausdruck, dass es ausdrücklich erwünscht sei, dass die Naturmedizin Einzug in die Apotheken hält. Naturmedizin soll ein fester und anerkannter Bestandteil im Apothekensortiment werden und raus aus der Exotenecke. Woher kommt dieser Wunsch? Aufgrund seiner akademischen Ausbildung wird dem Apotheker seitens der Patienten eine große Kompetenz eingeräumt, sein wissenschaftlicher Hintergrund bietet den Erkrankten Schutz vor Scharlatanerie bei der Beratung. Dabei ergibt sich ein durchaus ambivalentes Bild: Für den aufgeklärten Patienten ist der Apotheker nur eine Art Zwischenhändler, bei dem er seine Medikamente bezieht. Für den Unsicheren oder Suchenden wird der Apotheker dagegen zum unabhängigen Berater und zu einem Grenzgänger und Pfadfinder zwischen den unterschiedlichen Welten Naturmedizin und Schulmedizin.

Die Eigensicht von Ärzten und Apothekern

Beim Thema Naturmedizin stoßen Ärzte und Apotheker auch nach eigenem Bekenntnis an ihre Grenzen. Sie erleben eigene, schmerzhafte Defizite bei der Beratung ihrer Patienten und Kunden. Ärzte und Apotheker benötigen selbst Beratung und Orientierung. Sie haben teils erheblichen Nachholbedarf in einem zunehmend riesigen, unübersichtlichen Markt. Um den Patienten eine passgenaue Behandlung und Hilfe zukommen zu lassen, wünschen sich beide Seiten eine Vereinfachung in der als kleinteilig empfundenen Welt der Naturmedizin.

Die große Vielfalt der Produktportfolios wirkt auf Ärzte und Apotheker Großteils unstrukturiert und unübersichtlich. Sie vermissen einen klaren Bezug zu hergebrachten, „schulmedizinischen“ Krankheitsbildern.

Studiensteckbrief

Für den ersten Teil der Studie, die sich mit der generellen Bedeutung und dem Ansehen der Naturmedizin befasste, wurden 50 Frauen und Männer im Alter von 20 bis 65 Jahren tiefenpsychologisch in Einzelgesprächen und Gruppendiskussionen befragt. Die Probanden kamen aus Köln und dem Umland, die Geschlechter waren paritätisch besetzt. Im zweiten Teil der Studie wurden 45 Ärzte, Apotheker und Heilpraktiker hinsichtlich der Anwendung von naturmedizinischen Mitteln befragt. Die Erhebungsorte waren Köln, Bonn und Düsseldorf. Es lag eine gleichmäßige Altersverteilung der Probanden von 30 bis 60 Jahren vor. Von den Befragten waren 18 Ärzte mit Schwerpunkt Naturheilkunde, dazu kamen neun Heilpraktiker und 18 Apotheker beziehungsweise pharmazeutisch-technische Assistenten.