Homeschooling: Chance oder Zwickmühle für das Bildungssystem?

Noch nie war Homeschooling ein so heiß debattiertes Thema wie in Zeiten der aktuellen globalen Pandemie. Homeschooling wurde vom Hippie-Begriff, über den viele die Augen gerollt haben, zum Teil des Alltags. Ein Begriff, den inzwischen alle Eltern und Kinder kennen – meist sogar besser als ihnen lieb ist.

Anbieter: marktmeinungmensch
Veröffentlicht: Mai 2021
Preis: kostenlos
Studientyp: Blog & Paper
Branchen: Bildung & Wissenschaft • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft
Tags: Bildungssystem • Corona Krise • Homeschooling

Homeschooling im traditionellen Sinne wurde früher vor allem als Bezeichnung für die vollständige Ausbildung von Kindern zu Hause, entweder durch die Eltern oder andere nicht-schulgebundene Tutoren oder Lehrer, genannt. Heute hat sich der Begriff ein klein wenig gewandelt und bezieht sich vor allem auf die Hybrid-Lehre, die vielerorts durchgeführt wird. Es gibt weiterhin einen Klassenverband, die Lehrer gehören der Schule an und ein regulärer Stundenplan wird befolgt. Kurz: Man versucht, die Unterschiede zum gewohnten Unterricht im Klassenraum so gering wie möglich zu halten.

Doch ist das der richtige Ansatz? Muss Homeschooling als Zwickmühle für das Bildungssystem angesehen werden, die zu vermehrten Kosten, höherem Ressourcenverbrauch und Problemen für Eltern, Kinder und Lehrer führt? Wie immer gilt auch hier: Die Perspektive ist entscheidend. Sozialforscher sehen durchaus auch Potentiale und positive Aspekte in potentiell längerfristigen Umsetzungen des Homeschooling- oder Hybrid-Lehre-Systems. Könnte dieses aus einer Not entstandene System also tatsächlich eine große Chance für uns und unser Bildungssystem mit sich bringen?

Laute Kritik am Homeschooling

Negative Aspekte bleiben in Erinnerung, insbesondere dann, wenn uns das Gefühl der Entscheidungsfreiheit genommen wird, wir einer Situation scheinbar hilflos ausgeliefert sind und uns allgemein bereits in einer unsicheren Situation befinden. Eine Situation, wie wir sie aktuell weltweit sehen können.

Die Kritik ist allerdings nicht nur laut, sondern, zumindest teilweise, auch gerechtfertigt. Wie bei allem gilt: Die Dosis macht das Gift. Selbstständigkeit und Eigenverantwortung im frühen Alter – ja, dauerhafte soziale Isolation – nein danke. Ein gesundes Selbstvertrauen ist wichtig, ein übermäßiges Ego hinderlich. Ein Glas Rotwein tut der Gesundheit Gutes, mehrere Flaschen wohl eher nicht. Ein paar gratis Spiele von Novoline online als Spielspaß zwischendurch klingen gut, ein Absturz in die Spielsucht schon viel weniger.

Die Frage, die bleibt: Wie finden wir die ideale Dosis beim Homeschooling?

Kritikpunkt: Umsetzbarkeit im breiten Maßstab

Homeschooling geht mit erheblichen Anforderungen an die Örtlichkeit einher. Zum einen Bedarf es Räumlichkeiten, Platz und Ungestörtheit, ähnlich einem regulären Klassenraum – ein großes Problem bereits bei vielen Familien, in denen nicht jedes Kind einen eigenen Raum zur Verfügung hat. Des Weiteren ist technische Ausstattung nötig, die sich viele schlichtweg nicht leisten können.

Jedes Kind mit einem eigenen PC oder Laptop auszustatten, inklusive Kamera und Mikrofon natürlich, eine entsprechende Internetverbindung zu sichern und vor allem auch für Betreuungspersonal zu Hause zu sorgen, all das übersteigt verständlicherweise die (finanziellen) Möglichkeiten der meisten Haushalte. Hier sind Förderungen bis hin zur kompletten Kostenübernahme nötig, bereitgestellt von Staat und Bildungssystem.

Kritikpunkt: Mangelnder Sozialkontakt

Besonders laute Kritik und berechtigte Zweifel am Homeschooling äußern Sozialforscher, die sich mit den Folgen sozialer Isolation und mangelndem Kontakt mit Gleichaltrigen befassen. Die Auswirkungen sind enorm. Durch die fehlende soziale Interaktion, die das Homeschooling insbesondere im aktuell nötigen Ausmaß mit sich bringt, können soziale und psychologische Probleme entstehen, deren tatsächliches Ausmaß und Folgen uns noch nicht bekannt sind. Bereits jetzt zeigen sich allerdings eine erhöhte Depressionsrate bei Jugendlichen, vermehrte Verhaltensauffälligkeiten in allen Altersstufen sowie ein durchschnittlich erhöhtes Aggressionslevel.

Durch den Klassenverband werden soziale Kompetenzen geschult, gestärkt und ausgebildet, die in einem Homeschooling-Setting nicht erlernt werden können. Je nach Altersstufe unterscheiden sich Tiefe der Lerneffekte sowie die entwickelten sozialen Kompetenzen. Um negative Effekte sozialer Isolation zu vermeiden, bedarf eines idealen Maßes des Homeschooling-Anteils an der gesamten Unterrichtszeit, und zwar sowohl alters- als idealerweise auch bedürftigkeitsabhängig. Ein großer Stolperstein in der Umsetzung. Wie soll das ideale Level, die richtige Balance gefunden werden? Gibt es dieses ideale Level, bezogen auf ganze Altersstufen oder Schulmodelle, überhaupt?

Kritikpunkt: Effizienz digitaler Lehre

Ebenso fraglich ist, wie es um die Effizienz der digitalen Lehre bestellt ist. Während sie in höheren Altersstufen ein eher geringeres Problem darstellt und durch Teilanwesenheit ideal geregelt werden kann, stellt sich bei kleinen Kindern durchaus die Frage, ob es überhaupt möglich ist, in einem solchen System effizient und ausreichend zu lehren. Wie soll ein Grundschüler schreiben, lesen oder rechnen lernen, ohne einen Lehrer vor Ort, der erklären, vorzeigen und helfen kann? Reicht hier eine Teilanwesenheit oder sollte in dieser Altersgruppe vollständig auf Homeschooling verzichtet werden?

Chancen für unser Bildungssystem

Neben all den Kritikern gibt es allerdings auch Befürworter des Homeschooling-Konzepts. Nicht nur negativ sind die Auswirkungen von Homeschooling, sagen sie. Mit einem Perspektivwechsel können Chancen für Bildung, individuelle Förderung und Kinder, die das Schulsystem mit gestärktem Selbstvertrauen verlassen, geschaffen werden. Ein interessanter Ansatz, der eine detailliertere Betrachtung verdient.

Homeschooling für mehr Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein

Insbesondere bei Jugendlichen und Mittelschülern kann größere Eigenverantwortung zu positiven Effekten führen. Das Gefühl der Eigenständigkeit steigt, wenn Verantwortung in passendem Maßstab übertragen und vor allem auch positiv bestärkt wird. Ein gefestigtes Selbstvertrauen ist die Folge. Eine Folge, wie wir sie angesichts der durchschnittlichen psychologischen Entwicklung der aktuellen Schülergeneration mehr als nötig haben.

Problematisch kann dies jedoch für Schüler sein, die durch die übertragene Verantwortung und mit der plötzlich gewünschten Eigenständigkeit überfordert sind. Ein passendes Maß an Eigenverantwortung, idealerweise individuell auf den einzelnen Schüler zugeschnitten, ist nötig, um Homeschooling als langfristige Chance auf gestärkt positive Selbstwahrnehmung, Selbstvertrauen und Selbstverwirkungspotential nutzen zu können.

Homeschooling für individuellere Lernerlebnisse und breitere Förderung

Digitalisierung führt zu einem höheren Grad an Individualisierung – das erleben wir tagtäglich bei der Verwendung des Internets, aber auch gesellschaftlich im Zuge der globalen Digitalisierung und des konstanten technischen Fortschritts. Schafft man es, in der Digitalisierung der Lehre für zusätzliche Individualisierungsmöglichkeiten zu sorgen, könnte schon bald eine bessere Förderung einzelner Schüler möglich gemacht werden.

Die richtigen Entwicklungsschritte sind hierfür besonders bedeutend. Gelingt es, durch Homeschooling neue Elemente der Förderung in das Schulsystem einzubringen, diversere Lernmethoden für unterschiedliche Lerntypen zu ermöglichen und unterschiedliche Persönlichkeitscharakteristika der Kinder zu erkennen und zu fördern, könnte Homeschooling tatsächlich ein großer Teil eines zukünftigen Unterrichtsmodells und Bildungssystems werden, das unserem derzeitigen Stand um Längen voraus ist.

Homeschooling und Kosteneffekte

Ein Problem im Bildungssystem sind, wir wissen es alle, die anfallenden Kosten und nötigen Investitionen. Durch die Digitalisierung könnten nun auch in der Bildung Kostenstellen abgebaut werden, die auf lokalen Ressourcen basieren (Räumlichkeiten, Anfahrtswege, etc.). Ziel kann es dabei selbstverständlich nicht sein, das gesamte Budget für den Bildungssektor zu verringern, sondern vor allem die Ressourcenverteilung zu optimieren und somit aus einem bestehenden Pool an Mitteln ein besseres Bildungssystem entstehen zu lassen