Studie zur Arbeitswelt der Zukunft
Müssen im Zuge einer fortschreitenden Digitalisierung negative Beschäftigungsentwicklungen befürchtet werden? Die vorliegende Studie "Arbeitswelt und Arbeitsmarktordnung der Zukunft" von Dr. Oliver Stettes (IW Köln) analysiert die Fragestellung aus Sicht der Industrie.
Anbieter: | INSM |
---|---|
Veröffentlicht: | Jun 2016 |
Autor: | Institut der detschen Wirtschaft Köln |
Preis: | kostenlos |
Studientyp: | Marktforschung |
---|---|
Branchen: | Arbeitswelt • Online & IKT & Elektronik |
Tags: | Arbeitsmarkt • Beschäftigung • Digital Agenda • Digitalisierung • Facharbeiter • Industrie 4.0 • Qualifikation |
Tehmen und Inhaltsübersicht der Studie
- Einführung
- Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus?
- Beschäftigungseffekte der Digitalisierung
- Automatisierung und Rationalisierung
- Sektoraler und gesamtwirtschaftlicher Wandel
- Arbeitsanforderungen in der digitalisierten Wirtschaft
- Zwischenfazit I
- Beschäftigungsformen in einer digitalisierten Arbeitswelt
- Befristung und Zeitarbeit
- Teilzeit und Minijobs
- Solo-Selbständigkeit und Crowdworker
- Zwischenfazit II
- Arbeitsbedingungen in einer digitalisierten Arbeitswelt
- Qualität der Arbeit – materielle Komponenten
- Qualität der Arbeit – immaterielle Aspekte
- Zwischenfazit III
- Arbeitsmarktordnung im Zeichen des digitalen Wandels
- Die Regulierung der materiellen Arbeitsbedingungen
- Ausgestaltung des Sozialstaates
- Die Regulierung der immateriellen Arbeitsbedingungen
- Fazit
Zusammenfassung
Die Digitalisierung der Wirtschaft und Arbeitswelt und damit die zunehmende Verbreitung und Vernetzung von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien werfen die Frage auf, wie wir in Zukunft arbeiten werden und welche Beschäftigungsperspektiven sich für welche Beschäftigtengruppen damit verbinden. Im Raum steht die Hypothese einer fundamentalen Transformation der Arbeitswelt, wodurch bei vielen Ängste und Befürchtungen geweckt werden. Es überrascht daher wenig, dass die Politik (sich) den Prüfauftrag erteilt hat, ob der institutionelle Rahmen für den Arbeitsmarkt und den Sozialstaat auch noch zu einer digitalisierten Arbeitswelt und Wirtschaft passt. Die derzeit vorhandene empirische Evidenz spricht allerdings wenig für dringenden Handlungsbedarf, sondern vielmehr für Zurückhaltung und Abwarten.
So finden sich bislang keine überzeugenden empirischen Anhaltspunkte dafür, dass im Zuge einer fortschreitenden Digitalisierung negative Beschäftigungsentwicklungen befürchtet werden müssen. Dies gilt selbst für jene Beschäftigtengruppen, bei denen man aufgrund der potenziellen Automatisierbarkeit der Tätigkeiten am ehesten Beschäftigungseinbußen vermuten würde. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Digitalisierung die Entwicklung zur Höherqualifizierung weiter vorantreibt, die bereits in den vergangenen Dekaden am deutschen Arbeitsmarkt zu beobachten war. Die Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung jedoch bewusst, den Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, die erforderlichen Kompetenzen aufzubauen, zu erhalten oder weiter zu entwickeln.
Befristete Beschäftigung und Zeitarbeit haben sich als wichtige betriebliche Flexibilisierungsinstrumente etabliert, die den Betrieben die Möglichkeit eröffnen, Auftragsschwankungen ohne Anpassung der Stammbelegschaften abzufedern oder auf kurzfristig entstehende Engpässe an bestimmten Kompetenzen zu reagieren. Auch wenn kein direkter systematischer Zusammenhang mit der Digitalisierung existiert, darf davon ausgegangen werden, dass ihre Funktion als Instrument der betrieblichen Flexibilisierung nicht an Bedeutung verlieren wird. Auch bei Teilzeitbeschäftigung, geringfügiger Beschäftigung und neuer Selbständigkeit spricht die empirische Evidenz gegen einen systematischen Zusammenhang mit einer zunehmenden Digitalisierung. Erstere ist insbesondere von Erwägungen getrieben, die sich aus Bedingungen im privaten Umfeld der Beschäftigten ergeben. Minijobs konzentrieren sich auf Helfer- und Fachkräftetätigkeiten und dabei insbesondere auf Einsatzbereiche, bei denen das Substituierbarkeitspotenzial allenfalls als mittelhoch eingeschätzt wird. Das Phänomen der Crowdworker als neue Form der Selbständigkeit ist selbst in einer Vorreiterbranche der Digitalisierung, der Informationswirtschaft, im Grunde nicht bekannt und die Verbreitung von Solo-Selbständigkeit hat sich insgesamt kaum verändert.
Die vorhandene empirische Evidenz lässt ferner derzeit noch keinen Schluss auf die zukünftige Entwicklung der Arbeitsbedingungen zu. So ist offen, ob sich die Lohnstruktur und die Einkommensperspektiven von bestimmten Beschäftigtengruppen ausdifferenzieren. Genauso wenig absehbar ist derzeit auch, ob im Zuge einer fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt die Verbreitung leistungs-, erfolgs- und zielorientierter Vergütungsmodelle zunehmen wird. Der Dezentralisierungstrend bei Entscheidungsbefugnissen und -verantwortung könnte dies begünstigen. Aussagen der Beschäftigten legen nahe, dass Termin- und Leistungsdruck und die Anforderungen an Multitasking in einem digitalisierten Arbeitsumfeld relativ hoch sind. Allerdings weisen die Beschäftigten in einem solchen Umfeld zugleich auch über größere Handlungs- und Entscheidungsspielräume auf, die es ihnen erlauben, diese höheren Anforderungen zu bewältigen. Empirische Evidenz für eine stärkere psychische Belastungssituation findet sich daher nicht. Gleiches gilt auch für die Frage, ob die Beschäftigten durch digitale Technologien für dienstliche Belange auf unzumutbare Weise permanent in der Freizeit erreichbar sein müssen. Nur eine Minderheit der Beschäftigten wird mehrmals in der Woche kontaktiert und auch unter diesen empfindet nur eine kleine Gruppe dies als eine stark belastende Situation.
Vor diesem Hintergrund ist eine Anpassung des institutionellen Rahmens auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialstaat voreilig, die sich zum Ziel setzt, die Beschäftigten vor vermeintlichen Gefahren der Digitalisierung zu bewahren. Im Gegenteil drohen die verschiedenen derzeit diskutierten Reformvorschläge die Anpassungsflexibilität des hiesigen Arbeitsmarktes einzuschränken, obwohl das derzeitige institutionelle Setting einen maßgeblichen Beitrag zum Aufbau der Beschäftigung und zum Rückgang der Arbeitslosigkeit geleistet hat. Eine Politik ohne solide empirische Grundlage läuft Gefahr, den beschäftigungspolitischen Erfolg der jüngeren Vergangenheit zu gefährden.
© 2016 INSM