Mediale Erlebniswelten der Kinder - "I-Screens and We-Moments“
Auf der Kinderwelten-Fachtagung 2016 präsentieren die Rich Harvest Forscher Marco Haine und Alissa Steierl ihre Studie „I-Screens and We-Moments“. Ziel der Studie war es, in die medialen Erlebniswelten der Kinder einzutauchen. Die Hamburger Forscher präsentierten ihre Ergebnisse auf der Kinderweltenbühne sehr lebendig mit Bewegtbild-Einspielern.
Anbieter: | IP Deutschland |
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Veröffentlicht: | Jun 2016 |
Autor: | Alissa Steierl (Rich Harvest) |
Preis: | kostenlos |
Studientyp: | Marktforschung |
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Branchen: | Marketing & Medien • Online & IKT & Elektronik |
Tags: | Bewegtbild • Digital Agenda • Erlebniswelten • Familien • Jugend • Jugendliche • Kinder • Kindermarketing • Kleinkinder • Lernen • Mediennutzung • Medienplanung • Nutzungsverhalten • Online • Smartphone • Spielen • TV • Tablet • Video • Youtube |
Erlebniswelt PC – rationales Lernwerkzeug und Zocker-Eldorado
Der Computer bzw. das Laptop bedienen für die Kinder zwei sehr gegensätzliche Bedürfnisse: Der eher rationale Bedarf nach Informationen und Wissen, aber auch einen starken emotionalen Sog zu den Spielen:
- Für die meisten Kinder ist der PC ein eher langweiliges Gerät, ein rationales Lernwerkzeug. Hierbei geht es weniger um ein Abtauchen in eine Erlebniswelt, sondern um eine rationale aktive Infosuche.
- Auf der anderen Seite gibt es die „Zocker“ unter den Kindern. Hier wird der PC zum Abenteuermacher -ein phantastisches Spiele- und Erlebnisparadies.
Erlebniswelt Smartphone – die Snackbar
Das Smartphone ist meistens für die ganz Kleinen tabu. Außer in manchen Wartesituationen, da wird es aus Elternsicht gerne zur Überbrückung genutzt. Für Kinder ist das Gerät noch geheimnisvoll, ein unbekanntes Terrain, das einen besonderen Reiz ausübt.
Mit zunehmendem Alter, wenn die Kinder ihr eigenes Smartphone besitzen, wandelt sich das Smartphone dann zu einem intimen Gerät. Im Rahmen der Abnabelung von den Eltern wird es genutzt, um sich auch mit Freunden in einer eigenen, abgeschlossenen Welt zu bewegen.
- Beim Entertainment Snacking geht es um die kurze Beschäftigung zwischendurch. Ein kurzes Spielchen oder ein lustiger Clip erlauben eine Lernpause, um Luft zu holen, oder einmal kurz unterzutauchen.
- Noch wichtiger aber ist das Social Snacking. Hier geht es um Zugehörigkeit und um eine Standleitung zu den Peers mit denen ein ständiger Austausch erfolgt.
Auf dem Smartphone finden sich die Freunde, persönliche Geheimnisse, Fotos, Videos, Musik, und vieles mehr. So wird das Smartphone im Laufe der Zeit immer mehr zum Abbild der medialen Identität.
Erlebniswelt Tablet – der kreative Ideengeber
Kinder erleben mit dem Tablet Selbstständigkeit und lassen sich inspirieren. Neben der Funktion als Ideengeber bedient das Tablet das mit steigendem Alter stärker werdende Bedürfnis nach Autonomie. Denn mit dem Tablet können Kinder einfach und schnell Bestimmer über die Inhalte werden. Durch die Individualisierbarkeit von Content und Setting können sie sich der elterlichen Kontrolle entziehen und somit die eigenen medialen Möglichkeiten entdecken.
Und weil es hier so viele Möglichkeiten gibt, der eigene Programmdirektor zu sein oder auch die individuellen Nutzungssituationen zu kreieren, ist das Tablet der Startschuss zur medialen Individualisierung.
Erlebniswelt TV- das Lagerfeuer
Wenn es nach den Kindern geht, ist der Fernseher immer noch das primäre Unterhaltungsmedium. Der Fernseher ist auch Entlastungsmedium und Ladestation für Körper und Geist. Nach der Schule, nach einem durchgetakteten Tag, wollen die Kinder erst einmal entspannen. Auch für die Eltern ist das Fernsehen ein legitimes Mittel häuslicher Beruhigung in einer Welt voller äußerer Zwänge.
Fernsehen setzt aber auch Energien frei, es hat Aktivierungspotential. Die Kinder lieben die Impulse aus ihren Lieblingssendungen, zu denen sie spontan mitsingen und mittanzen können.
Im Tagesablauf hat der Fernseher gerade durch die linearen festen Sendezeiten eine strukturgebende Rolle, die durch keines der anderen Geräte substituiert werden kann.
In der dynamischen Welt der Screens ist aber ein Aspekt des emotionalen Erlebens des Fernsehens von besonderer Bedeutung: Das gemeinschaftliche Erleben. Denn beim Fernsehen lebt die Lagerfeuerromantik: Kuscheln und körperliche Nähe gehören nicht nur für die Kinder dazu, auch für die Eltern sind solche Momente wichtig. Während sonst alle Familienmitglieder – zumindest gefühlt - ständig an ihren individuellen Screens hängen, gehört die Aufmerksamkeit bei diesem zelebrierten und gefühlt immer seltener werdenden „We-Moment“ dem Fernseher und dem Gemeinsamen. Dadurch gewinnt die TV-Erlebniswelt emotional stark an Bedeutung.
Unterschiedliche Geräte bedienen also bei Kindern wie auch bei Erwachsenen unterschiedliche Verfassungen, lösen unterschiedliche Emotionen aus und lassen daher Werbung unterschiedlich wirken. Die Inszenierung von Werbung sollte sich diesen Erlebniswelten der Kinder anpassen und den Bedürfnisfeldern der Kinder gerecht werden, um letztlich eine angemessene Aufmerksamkeit zu erzielen.
Studiensteckbrief
22 Familien mit Kindern von 4 bis 12 Jahren wurden für die Studie befragt, gefilmt und analysiert. Diese Familien waren sehr unterschiedlich in ihren Lebensmodellen, ihrer individuellen Mediensozialisation und ihrer sozialen Schicht. Gemeinsame Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie aber war die mediale Vollausstattung: alle Kinder hatten Zugriff auf PC/ Laptop, Smartphone, Tablet und den Fernseher.
Im ersten Schritt wurden die Familien im Studio befragt. Im zweiten Schritt führten die Kinder zuhause ein Videotagebuch über ihre Mediennutzung. Die Eltern hatten als Co-Forscher die Aufgabe, ihr Kind dabei zu filmen, wenn es eines der Medien nutzt und diesen Moment zu kommentieren.
Nach vier Tagen Videotagebuch und über 100 Stunden Filmmaterial, die einen nahezu ungestörten Einblick in die medialen Kinderwelten boten, wurden die Familien zuhause besucht, um sich die kindlichen Medienmomente noch einmal vertiefend von den Kindern und Eltern erklären zu lassen. Damit hatten die Forscher die Möglichkeit, das direkte mediale Umfeld der Kinder unmittelbar zu erleben.
Die Ergebnisse der Studie zeigen: Auch wenn die Familien sehr viel unterscheidet, gibt es eine Sache, die alle vereint - die medialen Erlebniswelten der Kinder.
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