Zusammenhang zwischen dem Islandhype und der heutigen Befindlichkeit

Wann immer bärtige Tätowierte HUH machten, wechselten in früheren Zeiten die Menschen die Straßenseite. Wenn heute isländische Nationalspieler das Gleiche vor ihren Fans zelebrieren, sind genau dieselben Menschen begeistert. Sie finden die bärtigen Insulaner von der Feuerinsel sympathisch, authentisch, unverfälscht und realistisch. Was haben Marktforschung und Marketing von solchen Überlegungen und Beobachtungen?

Anbieter: rheingold institut
Veröffentlicht: Aug 2016
Preis: kostenlos
Studientyp: Blog & Paper
Branchen: Essen & Trinken • Gastronomie • Kultur • Marketing & Medien • Mode & Lifestyle • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft
Tags: Authentizität • Bärte • Craftbier • Harley-Davidson • Island • Marketing • Tattoos • Tattoostudios

Offenbar ist in den letzten Jahren etwas geschehen, dass ein und dieselbe Geste eines bestimmten Menschenschlages völlig neu interpretiert und anders verstanden wird. Zoomen wir mal rein in das Phänomen.

Zusammenhang zwischen dem Islandhype und der heutigen Befindlichkeit

Der Hype um die Isländer wird verständlicher, wenn man die damit verbundenen Werte einmal genauer betrachtet: Bart, Tattoo, Mann, unverfälscht, authentisch. Diese kann man zum Beispiel mit ihren Antagonisten vergleichen: glattrasiert, unbeschrieben, metrosexuell, gekünstelt, unwirklich. 

Es zeigt sich in dieser Gegenüberstellung, dass die Isländer über besondere Qualitäten verfügen, die heute zwar selten sind, die man aber dort noch finden kann, bevor die heutige Zivilisation über die Menschen ‚herfällt‘. Und sie buchstäblich ‚rasiert‘ und für den ‚Konsum‘ konditioniert. Ihnen das Gesichtshaar das ‚wilde‘ Gebaren und ihre Unangepasstheit abschneidet bzw. austreibt. 

Damit wird ein Ergebnis erzielt, welches sich in Werbefilmen und auf Großleinwänden eventuell noch als ‚ästhetisch‘ oder wohlproportioniert darstellen und verkaufen lässt. Im wirklichen Leben erweist es sich jedoch schnell als fad, unlebendig und vor allem austauschbar. 

So sehen zum Beispiel die meisten deutschen Fußballer aus wie aus einem Modelmagazin - mit gezupften Augenbrauen, gecremter Haut, gegelten Haaren oder aufwändigen Rasurmustern im Kopfhaar. 

Es erweckt den Anschein, dass Götze, Gomez und Co. mitunter mehr Zeit im Bad und vor dem Spiegel verbringen, als ihre ebenso stylishen Spielerfrauen und -Freundinnen.
Selbst ihre Tattoos erscheinen von erlesener und gehobener Lifestyle-Qualität: chinesische Sinnsprüche, Glaubensbekenntnisse oder die Namen der Sprösslinge finden sich Schwarz auf Haut an den richtigen Stellen. Wo man sie nach vollendetem Torschuss bei Bedarf zeigen oder küssen kann. 

Wie anders ist da der Isländer. Der lässt es sprießen und gedeihen. Dem ist es anscheinend relativ wurscht, ob die Frisur sitzt. Höchstens ein Stirnband bändigt das freie Wehen des kaum gekürzten Haupthaars. 

Was haben Marktforschung und Marketing von solchen Überlegungen und Beobachtungen? 

Es gibt Parallelen in unserem Alltag, welche zeigen, dass die ‚Islandisierung des Abendlandes‘ eventuell weiter fortgeschritten ist, als man glauben sollten. Dazu Stichworte. 

Craftbier

Gebraut von unangepassten, in Holzfällerhemden gekleideten Jung- und Nicht-mehr-ganz-so-jung-Männern. Gerne Bart. Gerne tätowiert. Die Steigerung sind US-Craftbrewer, welche zu Festivals eingeflogen werden und die Party mit heißen Reden aufmischen. „Wir killen die Etablierten!“ „Wir nehmen uns die Marktanteile, Prozent um Prozent!“ Dies meist mit wilden Bräuten im Gefolge. 

Alternative Hamburger- und Frittenläden

Gerne mit Namen wie ‚Fette Kuh‘ oder ‚Frittenwerk‘. Bärte und Tattoos sagen den etablierten Ketten den Kampf an, um den Menschen das authentische (Hack-)Fleisch und die wahre Kartoffel zurück zugeben. 

Explosive Vermehrung von Tattoostudios

Beschreibt sich von selbst. Auch hier sind viele Bärte zu sehen. 

Wachsende Zahl von ‚alternativen‘ Friseuren

... welche vor allem die Bartpflege ins Zentrum rücken. Tattoo-Aufkommen hier: hoch. 

Neues groß-urbanes Bar-Wesen

Tattoo- & Bärte sind Pflichtprogramm. 

Erfolg der Marke Harley-Davidson

Tattoos & Bärte. Hochpreisig. Macht aber nix. Genügend Zahnärzte und Rechtsanwälte schätzen den temporären Ausbruch aus Zwang und Pflicht. Zumindest zwischen Mai und September. Bei 25° aufwärts. Und trockener Straße. 

Was suchen die Menschen im neuen ‚Island-Feeling‘? 

Den Ausbruch.