Interview mit Stephan Grünewald: Die Angst vor der Zeitumstellung in Deutschland 2018

03. Okt 2018 • News • rheingold institut • Blog & Paper • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft

Das Ergebnis der Zeitumstellungsumfrage hätte mit dem Gefühl der Bürger zu tun, dass die Welt aus den Fugen sei, sagte Psychologe Stephan Grünewald im Deutschlandfunk. Gerade in Deutschland würde man am Liebsten die Zeit anhalten, um in einen Zustand permanenter Gegenwart einsteigen zu können, in dem sich nichts verändert.


Jasper Barenberg: Auffällig am Ergebnis dieser Umfrage, die Beteiligung in Deutschland war mit  drei Millionen Voten besonders groß und eine überwältigende Mehrheit hat dafür gestimmt, die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit abzuschaffen. Aber warum? Ich hatte Gelegenheit, darüber mit dem Psychologen und Psychotherapeuten Stephan Grünewald zu sprechen, er ist Mitbegründer und Geschäftsführer des Rheingold Instituts für Kultur-, Markt- und Medienforschung.

Stephan Grünewald: Ja, das Thema ist ja zweimal im Jahr sowieso aufgeploppt und hat dann die Gemüter erhitzt, nämlich wenn auf Sommerzeit beziehungsweise auf Winterzeit umgestellt wurde und die Menschen merken, dass ihr gewohnter Alltag wieder durcheinanderpurzelt. Dadurch, dass das natürlich jetzt europaweit zu einer offenen Frage wurde, hat das natürlich noch mal zu einer zusätzlichen Erhitzung geführt. Und psychologisch interessant ist, wenn man den Experten folgt, egal ob man auf den Biorhythmus achtet oder auf die Energiebilanz, es gibt für die eine und für die andere Seite Argumente, aber keine zwingenden Argumente. Dennoch ist ja das Mehrheitsvotum gerade in Deutschland klar für die Abschaffung. Und ich denke, das hat Gründe, die nicht in der Zeitumstellung an sich begründet sind.

Barenberg: Da kommen wir gleich auf jeden Fall noch drauf zu sprechen, Herr Grünewald, erst noch mal zurück zu dem Ergebnis. Wenn ich mir zum Beispiel die Reaktion der Kanzlerin anschaue, Angela Merkel, die ist noch zu Besuch in Nigeria, wird auf dieses Ergebnis oder auf die Ankündigung, dass das jetzt geändert werden soll, und sagt, sie unterstützt das und dann fügt sie hinzu – und das muss man ja als Scherz betrachten –, mit Blick auf ihren Gastgeber in Nigeria weiß sie gar nicht, ob der weiß, welche zentralen Probleme die Menschen in Europa so haben. Also können wir als Erstes mal festhalten, so arg wichtig, eine Frage von Leben und Tod jedenfalls der europäischen Politik, ist das nicht.

Stephan Grünewald - Interview Stephan Grünewald Zeitumstellung

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